Nachruf Heinrich Habel

Geboren 1932 in einem im Wiener Ringstraßenstil errichteten Wohnhaus in Brünn, war die Begeisterung für das 19. Jahrhundert Heinrich Habel bereits in die Wiege gelegt. Das Abitur machte er 1952 am humanistischen Max-Gymnasium in München, in einem Schulgebäude ebenfalls aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Mit seiner bei Hans Sedlmayr eingereichten Promotion „Das Odeon in München und die Frühzeit des öffentlichen Konzertsaalbaus“ (1967) vertiefte sich Habel weiter in diese Epoche und bearbeitete, als einer der ersten seiner Zunft, ein Werk des Klassizismus.

1964 trat Habel in den Dienst des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, wo er – zunächst auf Basis eines Werkvertrags – die Kurzinventare der schwäbischen Landkreise Neu-Ulm, Illertissen, Krumbach und Mindelheim erstellte. Hierbei würdigte Habel gerade die Bauten des 19. Jahrhunderts und entdeckte auf diese Weise deren Wert für die bayerische Kulturlandschaft. Dadurch rückte er eine Epoche in den Blickpunkt, die von der offiziellen Denkmalpflege bis dahin kaum beachtet worden war.

Habels Festanstellung am Landesamt folgte 1967 als Museumsassessor, bereits im Jahr darauf wurde er zum Konservator ernannt. Als mit der Einführung des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes 1973 die Erstellung einer bayerischen Denkmalliste notwendig geworden war, wurde der Historismus-Experte Habel mit der Bearbeitung der Großstädte München und Fürth betraut. Der weitaus größte Teil der von Habel für die Denkmalliste ausfindig gemachten Baudenkmäler entstammte den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg. Durch Habels akribische Inventarisation, basierend auf unzähligen „Spaziergängen“ durch die Straßenzüge der beiden Städte, wurde der hohe Denkmalwert von Großstadtvorstädten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts erstmals erkannt. Für die Stadt Fürth folgte die publizistische Würdigung 1994: Habels „Denkmaltopographie Stadt Fürth“ ist bis heute das einschlägige Standardwerk über diese so reiche Denkmalstadt, die ihn hierfür im Jahr 2016 mit dem Ehrenbrief der Stadt Fürth auszeichnete.

Neben Fürth galt Habels besondere Leidenschaft der Landeshauptstadt. Hier war er für über ein Jahrzehnt als Referent der praktischen Denkmalpflege tätig. In der täglichen Auseinandersetzung mit den einzelnen Baudenkmälern vertiefte Habel sein ohnehin schon einzigartiges Wissen über die architektur- und kunstgeschichtliche Bedeutung der Stadt weiter. 1997 als Hauptkonservator in den Ruhestand getreten, fand Habel nun endlich die nötige Zeit und Muße, das Ergebnis seiner jahrzehntelangen intensiven Auseinandersetzung niederzuschreiben. Mit der im Jahr 2009 erschienenen dreibändigen „Denkmaltopographie Landeshauptstadt München Mitte“ hinterließ er ein denkmalfachliches Vermächtnis von höchster Qualität und Präzision, das seinen Autor als unerreichten München-Kenner ausweist.

Bereits während seiner Amtszeit, in der er nebenbei auch als Schriftleiter für das „Jahrbuch der Bayerischen Denkmalpflege“ und die Zeitschrift „Deutsche Kunst und Denkmalpflege“ sowie als Mitarbeiter der Dehio Vereinigung tätig gewesen war, hatte Habel mit den beiden Monographien „Münchener Fassaden. Bürgerhäuser des Historismus und des Jugendstils“ (1974) und „Festspielhaus und Wahnfried. Geplante und ausgeführte Bauten Richard Wagners“ (1985) zwei Standardwerke von bleibendem Rang veröffentlicht.

Einen mindestens genauso bleibenden Eindruck aber hinterließen Habels Stegreifvorträge, die, im zwanglosen Plauderton voll Witz und Ironie vorgetragen, den Zuhörer durch außergewöhnliche Breite des Wissens und charismatischen Sprachgestus zu fesseln wussten. Heinrich Habel ist am 16. März 2022 im Alter von 89 Jahren in München gestorben.

Karl Gattinger im Namen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege