Place des Vosges in Paris
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Die Bedeutung des Denkmalschutzes für den Kulturtourismus der Zukunft

Wie wird sich der globale kulturaffine Tourismus nach der Pandemie weiterentwickeln? In einen Massen-Sightseeing-Tourismus und einen entschleunigten Authentizitätssuche-Tourismus? Wie reisen wir in Zukunft zu denkmalgeschützten Schätzen? Betreten wir Museen, Opernhäuser, Kirchen und Klöster noch oder machen wir nur Selfies vor den Objekten?

von MARTIN SPANTIG

Schauen wir uns in zehn Jahren die architekturhistorischen Höhepunkte überhaupt noch selbst an oder digitalisieren wir nur noch, setzen dann Posts ab, und unsere Freunde in den Sozialen Medien sehen damit mehr von den Bauwerken als wir? Werden die Bereisten in europäischen Altstädten als tragende Kultur-Säule demnächst überhaupt noch vorhanden sein? Last but not least: Werden Hotels in denkmalgeschützten Immobilien eventuell wieder Zentren von kulturellem Leben? Rund um diese Fragenkomplexe stelle ich sieben Thesen auf, sieben Prognosen, wohin die Reise gehen könnte und welch wichtige Bedeutung dem Denkmalschutz zukommt.

Zwei Hauptstränge der Nachfrage

Zur ersten These: Aus meiner Sicht wird es 2032 in der kulturtouristischen Nachfrage zwei Hauptstränge geben. Sie existieren auch heute bereits, aber bis dato nehmen wir diese Stränge als eine einzige große Masse an Kulturtouristen wahr. In den nächsten zehn Jahren werden diese Stränge deutlich auseinandergehen und sich letztendlich komplett voneinander unterscheiden: In eine größer werdende Gruppe der „Sightseeing-Punktesammler im Selfie-Modus“ auf der einen Seite und dem gegenüberliegend eine ganz anders ausgerichtete kulturtouristische Nachfrage, die man vielleicht als „Destinationskultureintaucher im Mitschwimmmodus“ umschreiben könnte.

Highlight fotografiert und gepostet

Zunächst zum Sightseeing-Punktesammler. Es ist ein alltägliches Bild: Die Museen sind voll, jeder fotografiert, manche drehen den Exponaten auch den Rücken zu und fotografieren sich selbst – aber eben zusammen mit den Exponaten, um belegen zu können, dass man an dem Ort gewesen ist. Das Kunstwerk tritt dabei eigentlich in den Hintergrund. Dasselbe geschieht auch auf Konzerten. Man schaut nicht mehr auf die Bühne, geschweige denn hört man wirklich zu. Man filmt und kontrolliert eher, ob die Aufnahme auch wirklich gelingt. Dieser Typus wird uns in Zukunft öfter begegnen. Aber auch wenn die Gruppe der Sightseeing-Touristen wächst, kommt sie nicht automatisch zu uns nach Europa. Dem Selfie-Punktesammler geht es vor allem um instagrammable Highlights. Die Kuppel des Reichstags, die Elbphilharmonie, der Kölner Dom, Schloss Neuschwanstein oder pittoreske Altstadt-Ensembles, all das hat Chancen bei dieser Touristengruppe in den größer werdenden internationalen Quellmärkten.

Diese Gruppe der Punktesammler wird auch deswegen wachsen, weil es immer leichter wird, eine „Punktesammlung“ anzulegen. Vor mehreren Jahrzehnten war das gar nicht so einfach, denn man musste selbst ein Urteil bilden, was kulturell wichtig ist und was nicht. Seit es die UNESCO-Welterbestätten gibt, kann man sich weltweit, vom Taj Mahal bis zum Machu Picchu, an diesem Label orientieren. Der Tourismus nutzt bei dieser Zielgruppe die kulturellen Oberflächen und auch in der Post-Corona-Zeit wird das weiter so sein.

Feel like a local

Ganz anders bei den Destinationskultureintauchern. Deren Anspruch ist „feel like a local“, ein Wunsch, den Plattformen zur Buchung und Vermietung von Privatunterkünften bedienen. Bei einem Städtetrip nach Paris wollen diese Reisenden eben nicht morgens ans Hotel-Frühstücksbuffet, sie wollen sich ihr Baguette oder Croissant selber in der nächstbesten Boulangerie „erjagen“. Sie wollen Teilzeit-Bürger der jeweiligen Destination werden. Die Süddeutsche Zeitung hat es einmal so zusammengefasst: „… der Urlaub soll außergewöhnlich sein und gleichzeitig dem alltäglichen Leben sehr nahe sein“ (Verena Mayer, „Wie Airbnb die Städte verändert“, SZ.de 7.8.2015). Die ZEIT drückte es etwas komplizierter aus, kommt der Sache aber dabei noch näher: „Der Nichttourist-Tourist ist ein Authentizitätsconnaisseur. Er reist, um das zu bestaunen, was aus den Werbekampagnen im Lufthansa-Magazin rausgeschnitten wurde.“ (Anna Gien, Wir haben Plüsch in den Augen - Niemand will Tourist sein, ZEIT.de 31. März 2019) Und der Soziologe Andreas Reckwitz spricht sogar von einer „spätmodernen Authentizitätsrevolution“ (Andreas Reckwitz, Die Gesellschaft der Singularitäten, S. 104, 2017), in der wir uns befinden. Kulturtouristen suchen nicht einfach nur Orte auf, sondern reisen, so der Freizeitforscher Greg Richards zu einem Platz „mit kultureller DNA“ (Greg Richards, Trends and opportunities for heritage as motor of tourism in the recovery phase, OECD-Webinar „Heritage, responsible cultural tourism, and sustainable development” 26 November 2021). Meine zweite These ist, dass das Volumen der Destinationskultureintaucher weiter wachsen wird. Das Historische authentisch zu bewahren, wie wäre das möglich ohne Denkmalpflege?

Diese spannenden Frage und vielen weiteren Aspekten widmet sich Martin Spantig in seinem Artikel in der neuen Ausgabe der Denkmal Information 178. Das Heft können Sie hier herunterladen!

Wirtschaftsfaktor Tourismus in Bayern 2019
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