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Erfassung jüdischer Grabmäler in Bayern

Jüdische Friedhöfe sind bedeutende Zeugnisse unserer Geschichte und belegen die Jahrhunderte zurückreichende Existenz zahlreicher jüdischer Gemeinden in Deutschland. Oft abseits der größeren Orte gelegen zeigen sie eine bemerkenswerte Vielfalt an Grabsteinen. Doch angesichts der fortschreitenden Verwitterung der Grabmäler, die mit einem Verlust der Grabinschriften einhergeht, bleibt trotz einer Flora mit reichem Wildblumenbestand kein Raum für Idylle. Eine Dokumentation der ca. 80.000 Grabsteine in den 124 historischen, in die Denkmalliste eingetragenen jüdischen Friedhöfen Bayerns ist dringend geboten.


Der stille Tod der Grabsteine

Mit der Auslöschung der israelitischen Gemeinden in der Zeit des Nationalsozialismus waren die jüdischen Friedhöfe verwaist. 13 Friedhöfe sind heute im Besitz von aktiven israelitischen Gemeinden, die ihre Gemeindemitglieder nach alter Tradition in den Friedhöfen bestatten. 111 Friedhöfe blieben dauerhaft geschlossen.

Eine Vielzahl an Faktoren wirkte auf die Friedhöfe ein: der Raubbau in den vergangenen Jahrhunderten, wetterbedingte Erosionen, Verluste durch Umwelteinflüsse, massivste Schändungen in Zeit des Nationalsozialismus, Vandalismus in den vergangenen Jahrzehnten und gutgemeinte, aber unsachgemäße Wiederherstellungsversuche. Bis heute sind die Schadensbilder sichtbar, die durch die Schändungen jüdischer Friedhöfe in den Wochen nach der Reichspogromnacht am 9. November 1938 verursacht wurden: massenhaft quer gebrochene Grabsteine (nach 1945 schlecht wiederhergestellt) und fehlende Inschrifttafeln. Es bleibt zu konstatieren: die jüdischen Friedhöfe in Bayern sind stark gefährdete und beschädigte Denkmäler, ihr Bestand an Grabsteinen ist erheblich dezimiert.

Die Dokumentation jüdischer Grabmäler: Das Projekt

Das Projekt In dem zunächst auf drei Jahre angelegten Projekt „Erfassung jüdischer Grabmäler in Bayern“ wird eine Basiserfassung sämtlicher Friedhöfe angegangen, um den Bestand an Grabmälern zumindest virtuell zu sichern, da die Verwitterung der Steine wohl nicht vollständig aufgehalten werden kann. Den Schändungen jüdischer Friedhöfe ist ein eigenes Unterprojekt gewidmet: „Net Olam“.

Die Basiserfassung umfasst die folgenden Komponenten:

  • Entwicklung einer Datenbank (Geoinformationssystem)
  • Erstellung von digitalen Friedhofsplänen (inklusive Methodenentwicklung, Drohneneinsatz Laserscanning)
  • Fotografische Dokumentation der Grabsteine

Die Basiserfassung wird die Grabmäler der jüdischen Friedhöfe Bayerns über die Datenbank einem breiten Nutzerkreis zur Verfügung stellen können. Auf dieser Grundlage kann anschließend eine vertiefte Erfassung und wissenschaftliche Auswertung aufbauen, die unter anderem folgende Komponenten umfasst:

  • Bearbeitung der Epigrafik
  • Bestimmung der Denkmalgesteine
  • Kunsthistorische Beschreibung und Einordnung der Grabmäler
  • Recherche der Personendaten (Biografie-Forschung)

Die Erfassung und Bewertung des Erhaltungszustands erlaubt zugleich die Entwicklung von Konzepten für Pflegemaßnahmen in enger Abstimmung mit dem Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern bzw. der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.

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Laufende Projekte und ehrenamtliche Initiativen: Beratung und Betreuung

Während des Projektes werden sich viele Kontakte zu Ehrenamtlichen ergeben, die bisher schon an der Geschichte der jüdischen Gemeinden und ihrer Friedhöfe interessiert waren. Diese Kontakte sollen verstärkt und ausgebaut, Synergieeffekte genutzt werden. Aus der Sicht des Landesamtes ist es zielführend, Ehrenamtliche vor Ort in die langfristige Pflege der Friedhöfe miteinzubeziehen. Das Landesamt kann Schulungen zu den Denkmalgesteinen und zur Dokumentation von Schadensbildern anbieten, um Ehrenamtliche für ein regelmäßiges Monitoring der Friedhöfe fortzubilden. Durch die Auswertung von Archivalien wurden durch Ehrenamtliche auch in der Biografieforschung bedeutende Ergebnisse erarbeitet, weshalb die Zusammenarbeit in diesem Feld ebenfalls ausgebaut werden kann.